Anekdoten & Mehr
Der Sack Zucker
Nach dem 2. Weltkrieg wurde Deutschland in Besatzungszonen aufgeteilt, der Süden kam unter französische Herrschaft. Die Insel Reichenau wurde zum Erholungsort für französische Soldaten, die Reichenauer evakuiert. Nur diejenigen durften bleiben, die der Ernährung der Franzosen dienten. Der Großvater unserer Wirtin, Oskar Spicker, hatte eine Metzgerei und durfte diese weiterführen. Aber die Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Gütern war schlecht. Wohl dem, der Verwandte oder Freunde in der Schweiz hatte! So wurde Frau Penzkofers Mutter mit dem Paddelboot nach Berlingen zur Familie Gradolfer geschickt, Hermann Baumgartner begleitete sie. Er war begeisterter Fotograf und erregte überall Aufsehen, weil damals nur Wenige einen Fotoapparat besaßen. In der Schweiz wurde das Paddelboot mit einem Sack Zucker beladen, und gerade nachdem dieser im Boot verstaut war erschien ein Zöllner. Glücklicherweise ließ er sich vom Fotograf ablenken, und die beiden Schmuggler konnten unbehelligt zurück nach Reichenau paddeln. Sie landeten glücklich an der Schiffslände beim Restaurant Seeschau, einem Verwandten. Damit niemand die Fracht sehen konnte, wurde das Paddelboot auf die Schultern geladen, ins Haus getragen und dort ausgepackt. Aber der schlaue Wirt Karl Roser verlangte für seine „Hilfe“ den halben Sack Zucker!
Bild vergrößern Gertrud Spicker und Hermann Baumgartner beim Lospaddeln...
Bild vergrößern Der Zöllner kontrolliert, Kinder aus der Schweiz finden das interessant...
Ein ertrunkener Rebmann
Der Rebmann Baptist Spicker, der Vater des Insel Hof Käufers Emil Spicker, hatte zehn Kinder, von denen allerdings nur vier überlebten. Sowohl Emil als auch sein Sohn Oskar waren der hebräischen Sprache mächtig, weil sie als Viehhändler viel mit den jüdischen Bürgern zu tun hatten. Man nimmt an, dass auch Baptist hebräisch sprach, weil er einem seiner Söhne den Namen Gideon gab. Das war der spätere Philosoph Gideon Spicker, geb. am 25.01.1840 in Reichenau, gestorben am 18.07.1912 in Münster, Westfalen. Gideon wollte Kapuzinermönch werden, wurde jedoch vom Kloster als „ungeeignet“ entlassen. In seiner Biografie schreibt er wie sein Vater Baptist ums Leben kam. In der damaligen Zeit war das Ruderboot ein übliches Fortbewegungsmittel, wenn man von der Insel in eine am Untersee gelegene Gemeinde wollte. Der Damm wurde zwar 1838-40 aufgeschüttet, aber der Seeweg war oft der kürzere und bequemere.Gideon schreibt, dass er während seines Philosophie-Studiums in München im Dezember 1868 ein Telegramm erhielt, er solle schnell nach Hause kommen, da der Vater verunglückt sei. Unter „verunglückt“ konnte sich der Sohn nicht vorstellen, dass sein Vater ertrunken sein könnte, da dieser ein äußerst vorsichtiger Mensch war. Es stellte sich jedoch heraus, dass Baptist Spicker auf dem Weg nach Iznang war, um eine Wiese zu kaufen. Auf dem Heimweg brach ein Gewittersturm über ihn herein, vermutlich ist ihm ein Ruder über Bord gegangen, beim Versuch, es zu fassen fiel Baptist über Bord und durch den Wind trieb das Boot zu schnell ab. Nun wurde eine amtliche Suche nach der Leiche eingeleitet und der Seegrund ausgeangelt. Aber in der Gegend war der Seegrund moosig, die Fischer hatten an manchen Stellen viereckige Schachen ausgebracht, um den Fischen das Laichen zu ermöglichen. Bald setzte aber Frostwetter ein und der gesamte Untersee fror zu, so dass die Leiche nicht mehr auftauchen konnte. Erst im Frühjahr als das Eis geschmolzen war und ein Schweizer Fischer aus Ermatingen seine Angelschnur an einem der Schachen einsetzte, zog er des anderen Tages an einem Fuß die Leiche empor. Ein anderthalbpfündiger Hecht hatte sich mit der Schnur um das gekrümmte Knie verwickelt, und diesem eigentümlichen Zufall verdankte die Familie, dass die noch frisch erhaltene Leiche unter großer Teilnahme der ganzen Gemeinde auf dem Friedhof begraben werden konnte.
Zum Dank und Andenken errichtete seine Familie ein steinernes Kreuz an der Abt-Berno-Straße, mit der Inschrift: „Was will das Kreuz, das an dem Wege steht, es will dem Wanderer, der vorübergeht, das süße Wort der Hoffnung geben, das Kreuz will dich zum Himmel heben.“
Bild vergrößern Das Wegkreuz für den ertrunkenen Baptist Spicker
Bild vergrößern Blick von der Terasse des Inselhof zum Galgenacker (rechts die ersten Häuser von Hegne). Hinrichtungen durften nicht auf der Klosterinsel vollzogen werden.Man fuhr den Delinquenten über den "Gnadensee" (Chance auf Begnadigung) zum Galgen auf dem Festland.
Bedeutende Tradition - die Inselfeiertage
Die Insel Reichenau hat drei besondere Feiertage, die die große Vergangenheit widerspiegeln. Sollten die Inselfeiertage auf einen Arbeitstag fallen, haben die Schulkinder frei, die Geschäfte und Behörden sind geschlossen, die Arbeiten ruhen.
Bild vergrößern Die Reliquie wird in einer feierlichen Prozession über die Insel getragen
Bild vergrößern Trachtengruppe bei der Heilig-Blut Prozession
Bild vergrößern Liebevoll und mit hohem Aufwand werden die Blütenbilder von den Gläubigen gestaltet. Oben: Blütenteppich vor einem Prozessions-Altar, rechts ein besonders prächtiges Blütenbild an Fronleichnam.
Der erste Feiertag ist das Markusfest, das jedes Jahr am 25. April stattfindet.
Das „Heilig-Blut-Fest“ wird jährlich am Montag nach dem Dreifaltigkeits-Sonntag (Sonntag nach Pfingsten) gefeiert. Dies ist der höchste Feiertag auf der Reichenau.
Jedes Jahr wird am 15. August Maria Himmelfahrt gefeiert.
Die Reichenauer Feiertage haben einen traditionellen Ablauf:
8.45 Uhr Parade der historischen Bürgerwehr auf dem Münsterplatz
9.00 Uhr Festgottesdienst im Münster St. Maria und Markus mit dem Münsterchor und dem Münsterorchester
danach Prozession über die Insel mit den Reliquienschreinen aus der Schatzkammer des Münsters, begleitet von der Trachtengruppe, der Bürgerwehr und den kirchlichen Vereinen (ca. 10.30 Uhr)
Um ca. 11.30 Uhr findet die Parade der Bürgerwehr mit Fahnenabgabe auf dem Münsterplatz statt.
Die Geschichte des Markusfestes
Der Heilige Markus ist vermutlich der Verfasser des ersten Evangeliums und begleitete Paulus und Barnabas auf deren Missionsreise. Später schloss sich Markus in Rom dem Petrus an. Nach der Hinrichtung von Petrus soll Markus die Kirche in Alexandria gegründet haben und bis zu seinem Märtyrertod nach den Jahren 66/67 dort der erste Bischof gewesen sein.
Venezianische Kaufleute fanden 828 seine Gebeine in Alexandria, entwendeten und versteckten sie und brachten die Reliquie auf abenteuerliche Weise zurück nach Venedig. Dort ließ der Doge für die Reliquien eine Kirche bauen, die Vorgängerin des heutigen Markusdomes.
Der mit der Reichenau eng verbundene Bischof Ratold von Verona und Gründer von Radolfzell, schloss in Italien Freundschaft mit einem Venezianer, der ihm Markusreliquien verkaufte. Diese übergab Ratold 830 der Bendiktinerabtei Reichenau. Die Bedingung war, dass der Name des Heiligen nicht zu Lebzeiten des Bischofs preisgegeben werden durfte; erst im Laufe der nachfolgenden Jahre wurde der Name des Heiligen bekannt.
Im 10. Jahrhundert begann dann die öffentliche Verehrung des Evangelisten Markus auf der Reichenau. Unter Abt Berno wurde der Westteil des Münsters gebaut und am 24. April, also am Vorabend des Markusfestes, in Anwesenheit von Kaiser Heinrich III., dem Heiligen Markus geweiht. Die Reliquien des Evangelisten waren auch später immer Anziehungspunkt für deutsche Herrscher. Eine Stiftung ermöglichte wahrscheinlich die Herstellung des vergoldeten Markusschreins, der sich heute in der Schatzkammer des Münsters befindet. Der Schrein aus Holz hat die Form eines Hauses und weist damit auf die ewige Wohnstätte hin. Die senkrechten Wände sind mit Szenen aus dem Leben Jesu verziert, die aus Silberblechen als Relief herausgetrieben wurden.
Seit dem Mittelalter wird am 25. April das Markusfest auf der Reichenau gefeiert und der Markusschrein in einer Parade über die Insel getragen.
Der Heilige ist Schutzpatron der Stadt Venedig, der Bodenseeinsel Reichenau, der ägyptischen Christenheit sowie der Berufe Bauarbeiter, Maurer, Glaser, Korbmacher, Notar und Schreiber. Er wird bei Unwetter, jähem Tod, Blitz, Hagel, Krätze, Qualen angerufen. Zudem soll er zu gutem Wetter und guter Ernte verhelfen.
Reliquien des Markus befinden sich außer in Kairo und Venedig auch auf der Insel Reichenau, in Rom, Paris, Cambrai, Tournai und Köln.
Das Heilig-Blut-Fest
Die Reichenauer Heilig-Blut-Reliquie ist ein kleines, aus vergoldetem Silber gearbeitetes byzantinisches Abtskreuz, das blutgetränkte Erde von Golgatha, Splitter vom Kreuz Christi und ein blutgetränktes seidenes Tüchlein enthalten soll. Ein Mönch schilderte den Weg der Überbringung der Blut-Reliquie von Jerusalem auf die Reichenau, die am 7. November 925 mit feierlichen Gesängen in das Münster getragen und auf den Hochaltar gestellt wurde.
Während des 30jährigen Krieges wurde die Reliquie vor den Schweden ins Zisterzienserinnenkloser bei Freiburg in Sicherheit gebracht. 1737 wurde sie auf die Reichenau zurückgebracht. Sie bekam eine barocke Fassung mit Edelsteinen und eine reiche Zier der Monstranz. Am 26. Mai 1738 wurde das Heilig-Blut durch den Konstanzer Fürstbischof Johann Franz von Stauffenberg zum ersten Mal wieder öffentlich zur Verehrung ausgesetzt. Seit diesem Jahr wird immer am Montag nach dem Dreifaltigkeitssonntag auf der Reichenau das Heilig-Blut-Fest gefeiert.
Die Reliquie wird heute im sogenannten Heilig-Blut-Altar verwahrt, den der Konstanzer Fürstbischof von Stauffenberg 1739 gestiftet hatte.
Mariä Himmelfahrt
Am 15. August wird auf der Reichenau das Patrozinium des Münsters gefeiert.
Über 1200 Jahre umfasst die Baugeschichte des Münsters Maria und Markus. Die älteste Kirche, im 8. Jahrhundert erbaut, ist in den Fundamenten noch erhalten und liegt unter dem Boden des nördlichen Seitenschiffs. Die ältesten, heute noch sichtbaren Teile stammen von der „Kreuzbasilika“ Heitos I., die am 16. August 816 geweiht wurde. Als Patronin des Klosters und der Kirche wurde die Gottesmutter Maria erwählt.
Quelle: Tourist-Information Reichenau, Wikipedia
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DIE FISCHEREI
Zu den ältesten Gewerben am Bodensee zählt neben der Landwirtschaft die Fischerei. Schon zu Pfahlbauzeiten bezogen die am See lebenden Menschen einen Teil ihrer Nahrung aus dem Fischfang. Im Mittelalter ergänzte Fisch als Fastenspeise den Speisezettel der Bürger und Mönche. Die Klöster besaßen umfassende Fischereirechte, die gegen Abgabe eines Teils des Fangertrags an örtliche Fischer verliehen wurden (Lehen). Die Klöster regelten den Fischfang durch Fischereiverordnungen, damit die Versorgung der Bürger mit Fisch gewährleistet war. Die Fischer konnten vom Abt gebüßt werden, wenn sie sich nicht an die Verordnungen hielten, z. B. an das zu benutzende Fanggerät.
Ende des 19. Jahrhunderts musste eine Einigung aller Seeanrainerstaaten über die Fischeiverordnungen gefunden werden, um den Bestand an Fischen zu erhalten und ein Überfischen zu verhindern. 1893 kam es schließlich zu einer Übereinkunft.
Um 1900 gab es auf der Reichenau noch etwa 100 Berufsfischer, heute sind es höchstens noch 19, von denen die meisten ihren Beruf allerdings nur im Nebenerwerb ausüben, oft kombiniert mit einem Gemüseanbau.
Der häufigste Fisch in den Netzen der Reichenauer Fischer ist der Felchen, der sogenannte „Brotfisch“, da er etwa 50 % des Fangs ausmacht. Besonders geschätzt ist der Kretzer, Hochdeutsch Flussbarsch, schweizerisch Egli genannt. Er stellt etwa 15 % des Fangs im Untersee, dazu kommen noch Hechte, Äschen, Forellen u. a.
Fischerei bedeutet aber, gleichzeitig für die Nachhaltigkeit zu sorgen. Strenge Regelungen, die von der Fischereiaufsicht überwacht werden, sorgen dafür, dass der See nicht überfischt wird. Es gibt Vorschriften über die Höchstzahl der Netze und über die Mindestmaschenweite, damit kleine Fische nicht zu früh gefangen werden. Abgesehen davon gibt es auch auf der Reichenau, wie überall am Bodensee, eine „Brutnachhilfe“. Im November werden ca. 14 Tage lang Felchen gefangen, direkt danach die Fische „abgestreift“, damit die Weibchen die Eier, den Rogen, die Männchen den Samen, die Milch, abgeben. Beides zusammen kommt in einen Eimer, wo sofort die Befruchtung stattfindet, und dieser wird in die Fischbrutanstalt gebracht. Dort bleiben die befruchteten Eier für mehr als vier Monate in großen Behältern mit sauerstoffreichem Seewasser, bis die Fische schlüpfen. Ein Teil der geschlüpften Felchen wird sofort wieder in den See entlassen, ein Teil wird noch eine Weile mit Plankton gefüttert, damit die Überlebenschancen größer werden. Die Fischbrutanstalt Reichenau übergibt dem See so jährlich etwa 70 Millionen Felchenbrütlinge. Dazu kommen noch eine Million Hechte, eine halbe Million Äschen und hundertausend Forellen pro Jahr.
Bild vergrößern So sah Fischerei vor der Erfindung des Verbrennungsmotors aus; RECHTS: Ein Findling auf der Ergat als Gedenkstein für den Fischerei-Förderer Felix Freiherr von Behr, der maßgeblich an der Gründung des Fischereivereins 1886 beteiligt war.