Rolle in der Geschichte
Eine Badische Herrengesellschaft
Die Jahre nach 1848 waren eine Zeit mit großen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Eine Epoche, in welcher das selbstbewusste Bürgertum gegen den Fürstenabsolutismus aufbegehrte.Wegen der polizeilichen Überwachung hatte sich der politische Liberalismus in den 1850er Jahren allerdings sehr bedeckt gehalten. Nur in kleinen privaten Zirkeln konnte gefahrlos über neue Konzepte für Politik und Wirtschaft diskutiert werden. Zu diesem Zweck wurden in vielen Städten des Großherzogtums Baden so genannte "Herrengesellschaften" gegründet.
Bild vergrößern Keine "Geheimgesellschaft" - Peter Jacimowitsch zeigt historische Protokolle...
Bild vergrößern und informiert ohne Vorbehalte. Auch die Aufnahmeformel ist kein okkulter Text.
Auch in Konstanz fanden sich gebildete und freiheitlich gesonnene Männer aus unterschiedlichen Berufszweigen zusammen, um gegenseitig Wissen und Meinungen auszutauschen, Argumente und Vorschläge zu formulieren und nach Möglichkeit Einfluss auf Verwaltungsvorgänge und öffentliche Planungen zu nehmen. Da solche Versammlungen der Obrigkeit immer verdächtig vorkamen, musste man sich nach außen abschotten. Diskretion war Ehrensache, und so kam es 1862 zur Gründung der ehrenwerten Herrengesellschaft „Gerstensack“.
Diese nicht eingetragene Vereinigung ( also kein "e.V.") hat einen Vorstand aus „Papa“, „Vizepapa“ und „Säckelmeister“, der jeweils für 1 Jahr gewählt wird. Der Name „Gerstensack“ geht zurück auf den ersten Tagungsort, den Vorratskeller einer Brauerei in der Altstadt.
Bei den Zusammenkünften herrschten gewisse Regeln, für die Aufnahme eines Neumitglieds mussten alle Altmitglieder stimmen und ein Pate musste sich für die Verlässlichkeit seines „Schützlings“ verbürgen. Standes- und Rangunterschiede gab es nicht, persönliche Freundschaften verstärkten das Zusammengehörigkeitsgefühl. Trotz allem Ernst der Diskussionsthemen war das Klima gelöst, von Fröhlichkeit, Witz und Geist geprägt und Wein und Gesang dienten der Entspannung.
Nach den Weltkriegen und ihren grundlegenden Veränderungen für Staat und Gesellschaft haben sich Themen und Einflussnahme gewandelt, die Freude an Diskussionen, Gesprächen und Geselligkeit ist geblieben.
Heute gibt es in Baden noch zehn solcher Herrengesellschaften. In Konstanz treffen sich die Mitglieder jeden Dienstagabend in der im Hotel Barbarossa für sie reservierten und von ihnen selbst mit Urkunden, Bildern und alten Stichen dekorierten „Gerstensackstube“ zu einem gemeinsamen Mahl.
Danach gibt es Gespräche – spontan oder vorbereitet – zu Themen der Zeit sowie Vorträge, auch mit Dias oder Videos. Nicht alle der 35 Mitglieder erscheinen jede Woche, es herrscht keine Präsenzpflicht. Aber zum traditionellen Stiftungsfest im Januar, zu dem auch Teilnehmer benachbarter Herrengesellschaften geladen werden, nimmt man sich Zeit. Ausflüge, die gemeinsam mit den Damen stattfinden, dienen der Erkundung des schönen badischen Landes. Früher wurde bei Wanderungen auch die Fahne (s. Bild unten) mitgeführt.
Seit 2000 ist Peter Jacimowitsch „Papa“ und gestaltet mit dem „Vize“ das abwechslungsreiche Jahresprogramm.
- Badische Herrengesellschaften
- Kurzer Videoclip von Alexander Rose
- Badische Herrengesellschaft Gerstensack
Bild vergrößern Peter Jacimowitsch auf dem "Papa-Stuhl". Die Tür in die Gerstensackstube steht Ihnen übrigens ebenfalls offen
Bild vergrößern Sie können den Raum auch für Ihre eigene Veranstaltung mieten
Zeitdokumente im Aussichtstürmle
Karl Miehle hat in der Messingkugel auf dem von ihm gebauten Aussichts-Türmle oben auf dem Hausdach verschiedene Utensilien der damaligen Zeit für die Nachwelt aufbewahrt. Dies war u. a. eine Speisekarte von 1913, Zeitungsausschnitte der Konstanzer Zeitung, Postkarten und Geld. Auf einer der Karten ist zu lesen: "Geld einlegen können wir bei den hohen Fleischpreisen nur wenig", auf einer anderen Karte: "Herzliche Grüße an die Nachwelt! Karl Miehle und Frau"..
Bild vergrößern Die Speisekarte aus der Messingkugel.
Geschnitzte Mitteilungen auf dem Familien - Generationen - Schrank im Obergeschoss (Bild unten):
Vor 200 Jahren ward ich gebaut, hab nun auch dem Weltkrieg ins Auge geschaut.
Jetzt hat man mich alten Schrank noch geehrt
zum Dank dass glücklich man heimgekehrt.
Von den Brüdern Stingl kunstvoll geschnitzt
im Auftrag dessen der heut mich besitzt.
So ward ich als Denkmal hierhergestellt. Wie wird's auch noch werden auf dieser Welt?
Bild vergrößern Der Generationen-Schrank von 1920 und...
Bild vergrößern eines der wirklich sehenswerten Glasfenster mit den herrlichen Farben. Lassen Sie sich diesen Geschichtsbilder - Zyklus nicht entgehen!